Metalgnome 6 v. 15

Dietmar knipste die Lampe an. „Lass die Finger vom Gras“, äffte er seine Frau nach. „Was sagst du als Lampe dazu?“ Die Lampe schwieg. „Kannst du oder willst du nicht mit mir reden?“ lallte Dietmar der Glühbirne entgegen und hob einen Finger vor dieselbe. Die Lampe schwieg immer noch. Doch Dietmar interpretierte den Schatten seines Fingers, der genau auf das große Päckchen mit den Pillen in dem Regal zeigte, als ein Zeichen. „Ohhh….BUUUUNT…“, sagte er freudig und drehte sich wieder zur Lampe um. „Du meinst, ich soll wirklich…?“ Die Lampe schwieg ihn immer noch an. „Huuiiii…ohja, du hast recht.“ Er leerte die Schachtel mit den Pillen auf den Boden und fing an, sie nach Farben zu sortieren. Dabei sprach er sehr rhythmisch: „Blau-e-links, gel-be-rechts, ro-te-in-die-Mit-te.“ Nachdem er  drei kleine Pillenhäufchen vor sich hatte, zählte er sie und sagte dann vergnügt: „Vier-zehn-blau-e, drei-zehn-gel-be… zwölf-ro-te.“ Er drehte sich zur Lampe. „Da stimmt der Rhythmus nicht mehr. Was nun, was soll ich tun?“ Die Lampe schwieg. „Jaaaa“, sagte Dietmar. „Du hast recht, so mach ichs.“ Er nahm eine der blauen Pillen und schluckte sie. „Drei-zehn-blau-e, drei-zehngel-be, zwölf-ro-te“, bemerkte er. Diesmal griff er zu einer gelben Pille, die abermals sang- und klanglos in seinem Mund verschwand. „Drei-zehn-blau-e, zwölf-gel-be, zwölf-ro-te“. Dietmar schaute zur Lampe und grinste: „Gleich fertig“, sagte er, ignorierte das Schweigen und steckte sich die nächste Pille in den Hals. Wieder eine Blaue. „Zwölf-blau-e, zwölf-gel-be, zwölf-ro-te… juhuu, toller Rhythmus“, freute er sich. „DIEEETMAAAAAAAAR…was treibst du denn jetzt schon wieder?“ Thias Schreie klangen dumpf zu Dietmars Ohren hindurch. „Oh oh“, sagte er zur Lampe aufschauend. „Gnom muss los.“ Sprachs und hetzte Richtung Schlafzimmer. „Hier bin ich, holde Maid, sagt an, was ist euer Begehr?“ Thia sah ihn, ohne ein Wort zu sagen, an.

7 v. 15

Metalgnome 5 v. 15

Sein immer noch steifer, kleiner Gnomdödel wippte bei jeder Bewegung auf und ab und löste in Dietmar wahre Freudengefühle aus, so dass er anfing, mit sich selbst über Licht und Schatten zu diskutieren. „Hmm“, dachte er bei sich, „wenn ich Licht wäre, dann müsste ich ja auf sämtliche Gnomdödel aufprallen, die so im Licht stehen, wie ich hier grad. Ich würd gern wissen, ob Licht männlich oder weiblich ist.“ Von diesem Gedanken beflügelt, stellte er eine Gleichung für das Bestimmen des Geschlechtes von Licht auf, die er jedoch kurz darauf wieder vergas. Er wusste im Nachhinein nur noch, dass es auf prinzipieller Basis etwas mit Schrödingers Katze und sexueller Nötigung derselben zu tun hatte. „Wie auch immer“, unterbrach er seine eigenen Gedankenfluten. „Auf jeden Fall sollte man dem Licht was Gutes tun.“ Sein Blick fiel auf zwei fertig gebaute Joints auf dem mittleren Regalbrett vor sich, die er sofort beide auf einmal in den Mund steckte, anzündete und den Schatten beobachtete, den der Rauch auf die Felswand warf. „So liebes Licht“, sagte er zu der Lampe, die von der Decke hing. „Jetzt haste auch mal was vom Leben.“ Ein Ruf unterbrach seinen philosophischen Gedankengang: „DIETMAAAAR, wo bleibst du denn?“ „Uiiii…“ Dietmar riss die Augen auf. „Ich muss los liebes Licht. Tschüüüüüüß.“ Diemar lief zurück und stürmte das gemeinsame Schlafzimmer mit einem lauten „Olee Olee, isch bin die Weihnachtsfee.“ Thia sah ihn entgeistert an. „Heilige Scheiße“, sagte sie, „du bist ja noch dichter als vorher.“ „Sag isch ja“, grinste Dietmar. „Isch bin ein Dichter, höhö.“ Thia drehte ihm beleidigt den Rücken zu. „Wenn du wieder ins Bett willst, dann nüchter dich erst mal aus. Ist die Tür jetzt eigentlich zu?“ „Öhh…frag die Lampe. Die is lieb.“ „DIETMAR!“ „Jaja, ich geh ja schon, ich mach ja schon…“ Dietmar drehte sich um und ging wieder zur Vorratskammer. Die Tür stand offen. „Und lass die Finger vom Gras“, hörte er Thia ihm hinterher rufen.

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Metalgnome 4 v. 15

Dietmar kniff seine eh schon viel zu zugequollenen Augen zusammen. „Naja…vielleicht nur einen ganz Kleinen…“ gab er reumütig vor seiner Frau zu. „Ich hab dir doch schon mal gesagt,“ meinte Thia „nach dem Abendessen nichts mehr naschen. Du hast vorhin schon zwei Lines gezogen und nen halben Kasten Wahrsteiner leergebechert, das wird dir ja wohl reichen.“ Dietmar setzte einen herzerweichenden Hundeblick auf. „Ähhh… ich liebe Dich.“ Thia bemerkte, dass sie in diesem Zustand keine Chance hatte, aus Dietmar auch nur einen vernünftigen Satz herauszubekommen. Sie fand sich mit der Situation ab, dass eine Standpauke nun eh nichts mehr bringen würde. „Vergiss es!“ sagte sie zu ihrem zugedröhnten Gnomgatten. „Hast du die Tür zur Vorratstür auch wieder zugemacht?“ Dietmar suchte in seinen perforierten Gehirnsträngen nach Lösungsansätzen für diese, zumindest ihm sehr schwierig vorkommenden Frage und begnügte sich dann im Endeffekt mit der einfachsten Antwort, die der Wahrheit schon ziemlich nahe kam: „Vielleicht…?“ sagte er und war sogleich nahezu stolz auf die absolut korrekte Aussage dieses eigentlich nichts aussagenden Satzes und fühlte sich dabei, als er hätte er einen Nobelpreis verdient. „Das reicht.“ Thia stieg von Dietmar herunter und setzte sich neben ihn. „Du gehst jetzt sofort raus und schaust, ob die Türe auch zu ist. Ich habe keine Lust, dass ich morgen beim Frühstück wieder tote Maulwürfe aufsammeln muss.“ „Och menno…,“ grunzte Dietmar, stieg aus dem Bett und lief nackt Richtung Vorratskammer. Wie Frauen nun mal so sind, hatte Thia natürlich Recht. Die Türe stand sperrangelweit offen und Dietmar verfluchte seine Vergesslichkeit. Er hätte sie ja wirklich gern geschlossen und wäre schnell wieder ins Bett zurückgegangen, doch in der Vorratskammer herrschte ein von der Decke herabfallendes Licht, das sein drogenüberschwemmtes Hirn mit Faszination erfüllte, als es einen perfekten Schatten seines Körpers an die Wand warf.

5 v. 15

Metalgnome 3 v. 15

Dietmar war kein besonderer Metalgnom. Wie die meisten andren Metalgnome war er ein reiner Workaholic, der hauptsächlich darauf erpicht war, seine Vorratskammer so schnell wie möglich zu füllen, um die restliche Zeit des Festivals damit zu verbringen, seine Frau Thia im Drogenrausch heftigst durch zu bürsten. Dietmar und Thia waren schon lange ein Paar und hatten unzählige Nachkommen. Das Unglaubliche bei Metalgnomen ist die extrem kurze Schwangerschaft. Nach der Befruchtung der Gnomeizelle durch das Gnomsperma dauert es keine drei Tage, bis ein fertig ausgewachsener neuer Gnom den Leib seiner Mutter aus welcher Körperöffnung auch immer verlässt (Quellen sind hierbei sehr ungenau) und sofort den Boden mit seiner großen Schnuffelnase nach Überresten von dicken Tüten, halbvollen Bierflaschen oder unachtsam fallen gelassenen Tickets absucht. Man bedenke dabei, dass schließlich jeder Metalgnom schon hochgradig abhängig zur Welt kommt. Dietmar hatte schon den ganzen Tag damit verbracht, viele Menschen um ihre Drogen- und Alkoholvorräte zu erleichtern und den ganzen geklauten Stoff in seinen Höhlen zu bunkern, während Thia die Zeit damit verbrachte, die gemeinsame Schlafzimmerhöhle für die bevorstehende, von Kokain und Alkohol geschwängerte Liebesnacht, mit Moos auszupolstern. Natürlich freute sich Dietmar sehr auf die Nacht, denn nach einem schweren Arbeitstag war es ihm nur recht, wenn seine Alte ihn gehörig durchnudelte und im Takt zu den schweren und dumpfen Blackmetaltönen, die durch die oberen Erdschichten zu ihnen durchdrang, auf ihm ritt. Doch diesmal sollte es ganz anders kommen. Mitten im schönsten Metalgnom-Genital-Reibungsakt sah ihm Thia auf einmal in die Augen: „Sag mal Dietmar, hast du noch was geraucht vorhin?“ fragte sie ihn. Dietmar strich sich mit der Hand über die Augen. „Höh?…ähhm…nö! Warum?“ entgegnete er. „Lüg mich nicht an! Immer wenn du was geraucht hast, fängst du beim Vögeln an zu grunzen, wie ein wilder Eber.“

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Metalgnome 2 v. 15

So zieht es beispielsweise auch die Anhänger einer ganz selten gewordenen Art der Gnome, die sogenannten Metalgnome, jedes Jahr im Sommer aufs Neue zu den großen rhythmischen Ritualen, die von dem Menschen auf großen Wiesen und Äckern zelebriert werden. Die Metalgnome bewohnen meist die Dixiehäuschen auf diesen, mehrere Tage andauernden, Festivals und ernähren sich von sämtlichen Drogen, die sie den Menschen am helllichten Tage stibitzen können. (Man beachte hierbei, dass es für die Metalgnome nötig ist, bei Tageslicht ihre Diebestouren zu vollführen, da die Menschen erstens dazu neigen, eher am Tag zu schlafen, zumindest bei solchen Ritualen des Selbstkontrollverlustes und zweitens beim Erblicken eines Metalgnomes, der sich gerade  daran macht, einer Wasserpfeife das Köpfchen zu klauen, entweder alles auf den Alkohol zu schieben, oder so ein Erlebnis einfach als zu cool betrachten, als dass sie etwas dagegen unternehmen würden.) Sofort bei ihrer Ankunft suchen sich die Metalgnome eines dieser schönen Scheißhäuschen aus und untergraben meist einen Großteil des Festivalgeländes mit langen Tunneln, kleinen Kammern für ihre Drogenvorräte, Wohn- und Schlafzimmern für ihre Familie und Freunde und Unmengen von kleinen, fast nicht erkennbaren Löchern, die an die Oberfläche führen. Durch diese Öffnungen genießen sie die Musik der Menschen, während sie abends zusammen sitzen und sich eine Nase nach der andren reinziehen oder auch gern mal eine Fixe setzen. Da die Metalgnome deswegen ständig total prall sind, ist es kein Wunder, dass sie aufgrund ihres verstrahlten Daseins die Namen ihres Nachwuchses immer nach den Namen der Bands wählen, die auf den Festivals auftreten. Außerdem wollen Metalgnome immer cool sein. Dies ist nun also die Geschichte des Metalgnoms Dietmar Borgir und seiner Frau Thia Mat, die das Full Force Festival bewohnen.

3 v. 15

Night Zapping 2 v. 2

ZAP – Auf dem nächsten Kanal erfahre ich am unteren Bildschirmrand, dass „GanGst3r_12“ jemanden nur für „das eine“ sucht, während hirnerweichende Technomusik bei irgendeiner Live-Übertragung aus einer Disco auf meinen Verstand einhämmert. Im Nachhinein denke ich mir, dass BTV-Rave wohl soviel bedeuten muss wie „Bescheuerte Techno Veranstaltungen“. Zielgruppe: ab 15 Jahren abwärts. Jeder mit eigenem Handy und wohlhabender Mama, die mit Freuden die Rechnung bezahlt. Denn hier läuft alles per SMS ab. Unterhaltung für Grenzdebile per Interaktion.

ZAP – Hier erlebe ich, wie man am besten ein persönliches Problem löst: in einer Talkshow vor Millionenpublikum. Bei Themen, wie „Heirate mich, denn ich hab Fotos von deiner Oma im String-Tanga“ bleibt kein Tabu mehr unangetastet.

ZAP – Wow, ich lande in einer Dokumentation über den Vietnam Krieg. Olle Kamellen möchte man meinen, doch die interessanten Hintergrundstorys der Veteranen fesseln mich mit der Zeit und ich schöpfe zum ersten mal Hoffnung, die Fernbedienung aus der Hand zu legen und mich über meine Pizza herzumachen. Zumindest solange, bis völlig unverhofft und ohne jeglichen Zusammenhang eine Frau Mitte 60 mir für nur 41cent/min ihre Liebesdienste anbietet.

Das nächste ZAP entlockt der Glotze ihren endgültigen Todesschrei, als mein Finger auf dem großen roten Knopf landet und ich schließlich meinen, durch die TV-Evolution gepeinigten Verstand bei einem Christian Anderson Märchenbuch erhole.

Gute Nacht John Boy, Gute Nacht Deutschland!

1 v 2

Night Zapping 1 v. 2

Seit ewigen Zeiten entschließe ich mich also mal wieder, einen gemütlichen Abend nur vor der Glotze zu verbringen. Für genügend Fastfood ist gesorgt und die, schon halb eingestaubte Fernbedienung mit frischen Batterien bestückt, wird mir gleich den Weg ins nächtliche „Hirn-aus-Nirvana“ ebnen.

ZAP – Schon versetzt mich die x-te Wiederholung eines Uraltschinkens mit Heinz Rühmann in meine Kindheit zurück und ich frage mich unmittelbar danach, ob es eigentlich sein kann, dass in den letzten 12 Jahren keine neueren Filme mehr rausgekommen sind.

ZAP – Auf einmal grinst mich ein Mann an, der ein dickes Bündel Geldscheinen in seinen verschwitzten Griffeln hält und mich mindestens zwanzigmal in der Minute auffordert, irgendwelche Dreiecke zu zählen. Für nur 3,63€ pro Anruf hab ich angeblich die besten Chancen, den Moderator um sein Geld zu bringen und gleichzeitig den Sender zu bereichern. Ich wundere mich schon gar nicht mehr über die Freudenschreie des Gewinners, der stolz erzählt, er versuche schon seit einer dreiviertel Stunde, beim Sender durchzukommen. Jetzt kann er wenigstens seine Telefonrechnung bezahlen.

ZAP – Plötzlich sehe ich nur noch Schaum, der aus pinkfarbenen Plastikflaschen auf alle möglichen Gras-, Öl-, Ketchup- und Rotweinflecken gesprüht wird, gegen deren fröhliche Farbzusammensetzung jeder LSD-Trip wie ein schwarz-weiß Film wirken muss. Dazu eine mehr als euphorische Stimme eines, mit Schweißflecken übersäten Moderators, der kurz vor der Atemnot zu stehen scheint und mir höflicherweise auf seine ganz eigene Art anbietet, sich meines Geldes anzunehmen. Willkommen Kapitalismus!

2 v. 2

Metalgnome 1 v. 15

Diese unsere bekannte Welt, in der ein jeder vor sich hinlebt, seinem Alltag nachgeht und – manchmal mehr schlecht als recht – diesen versucht zu meistern, ist die unsere vertraute. Die Geborgenheit, die diese Welt ausstrahlt, setzt sich in den Gedanken und Gefühlen der Menschen fest, so dass diese in ihrem Verständnis für darüber hinaus gehende Ereignisse, Situationen und Emotionen gewissen Wesen aus der Vielzahl der andersartigen Welten, fast schon als bekümmert erscheinen müssen. Die, bestimmt nicht bewusst erlebte, jedoch schon seit an Beginn der Neuzeit praktizierte Ignoranz, die die Menschheit dabei an den Tag legt und immer weiter entwickelt, behindert den Menschen darin, eben erwähnte andere Welten überhaupt wahr nehmen zu können. Geschöpfe dieser andren Welten erscheinen so im Laufe der Zeit nur noch als Legenden und Mythen in Büchern. Da gibt es Feen, Hexen, Zauberer, Zwerge, Einhörner oder Kobolde. Sie alle haben mit den Menschen zusammen auf der Erde gelebt, solange bis die Menschen sich nur noch mit sich selbst beschäftigten und keine Zeit mehr fanden, ihre Augen und Ohren für diese Wesen offen zu halten. Dadurch verschwanden diese Geschöpfe aus der uns sichtbaren Welt, in eine andere, unsichtbare Dimension jenseits unserer Vorstellungskraft. Doch manchmal, ganz selten allerdings, passiert es, dass einige dieser Kreaturen wieder in unsere Welt zurückkehren. Des Öfteren hört man beispielsweise von Sichtungen großer, haariger Affenmenschen in den Alpen, oder von filigranen Stimmen auf den Feldern in Island, die Elfen oder Feen zugeordnet werden. Die Mystik, die von diesen Geschöpfen ausgeht, verstand es schon immer, die Phantasie der Menschen zu beflügeln und in den seltensten Fällen kann man auch von einer gegenseitigen Symbiose sprechen, in der manch mystische Geschöpfe mit den Menschen zusammen leben.

2 v. 15

Märchenstunde 1 v. 2

„Schau nur!“, rief sie und zeigte mit ihren kleinen Fingern auf das große bunte Etwas über ihren Köpfen. Der Wind hatte ihre blonden Haare zerzaust und der rote Regenmantel war gesprenkelt von kleinen Dreckspritzern, die sie in ihrer Erscheinung einem großen Marienkäfer gleichen ließ. Es war kalt hier, mitten auf dem Feld. Die Natur, die sie sonst zu sehen bekam, bestand aus einem kleinen Park mit Spielplatz, der zwei Straßen neben ihrer Wohnung angelegt worden war. Rollschuh fahren war dort verboten. Hunde waren dort verboten. Lärmen war dort verboten. Doch jetzt stand sie mitten auf diesem gigantischen schneebedeckten Feld und blickte mit ihren großen, braunen Augen in den wolkenverhangenen Himmel.

„Schau nur!“, rief sie noch lauter und zog ihren Vater am Ärmel. Über ihren Köpfen schwebte es fast lautlos, nur ab und zu fauchend, vorüber.

„Ich seh ihn ja, Paula. Ich seh ihn.“ Ihr Vater stand direkt neben ihr.

Der Heißluftballon schmolz sich seinen Weg durch dicke, eisige Luft um kurze Zeit später mit einem Fauchen wieder von den Wolken verschlungen zu werden. Gebannt starrte Paula noch minutenlang auf die Stelle, wo sie ihn zuletzt gesehen hatte. Der Wind blies heftiger und an ihrer kleinen Nase formte sich ein Tröpfchen, das sie ohne Mühe abschüttelte und die Ringe zählte, die es beim Aufprall in einer Pfütze hinterließen. Langsam trottete sie hinter ihrem Vater her, fasziniert von dem matschigen Schuhabdrücken anderer, die vorher diesen Feldweg für sich beanspruchten. Hier und da erkannte man Spuren von einem Hund und Paula dachte darüber nach, wie es wohl sein müsse, nur mit einem Fell bekleidet durch den Wald zu laufen. Sie fröstelte bei dem Gedanken. Schließlich hatte sie heute außer ihrer roten Regenjacke noch zwei Unterhemden und einen dicken Pulli an, den ihr ihre Mama zum Geburtstag strickte.

2 v. 2

Erwin, der Zauberer 1 v. 9

Tief im Lande des Kaiserreiches Müttelbormeringen lebte einst ein Zauberer. Rein äußerlich gesehen ein nicht unbedingt bedeutsam anzusehender kleiner Mann mit einem langen Bart, zwei Armen und zwei Beinen. Dieser war nicht nur des Lesens und Schreibens mächtig, nein, er war auch in der Lage, Dinge zu tun, die normalen Menschen verwehrt blieben. Er konnte zaubern. Und das war auch gut so, denn ansonsten hätte er sich nicht Zauberer schimpfen dürfen. Rein theoretisch hätte er das zwar schon tun können, jedoch wäre es sehr peinlich geworden, falls gewisse Dinge passierten, die es mittels Magie zu beeinflussen gegolten hätte.

Da der Zauberer jedoch wirklich ein Zauberer war, hatte er auch dementsprechend gewisse Zauberutensilien, die nur Zauberern vorbehalten sind. Ein großer spitzer Hut in einer dunklen Farbe mit glitzernden Sternen zierte seinen Kopf. Seinen Körper hüllte er in einen Mantel in derselben Farbe wie sein Hut. Diese Dinge schafften es tatsächlich, ihm eine ordentliche Portion Seriosität zu verleihen. An seinem Gürtel befanden sich zwei Dinge. Zum einen sein ganz persönlicher Zauberstab, ohne den er niemals das Haus verließ und mit dem er gern und viel zauberte. Zum anderen ein kleines Fläschchen mit selbstgebrautem Schnaps, denn der Zauberer hatte schon des längeren ein Alkoholproblem.

Leider war bei ihm der Drang zum Zaubern größer als sein eigentliches Können. So kam es denn nun, dass der Zauberer gebeten wurde, für ein Fest zu Ehren des Kaisers, ein großes Feuerwerk zu veranstalten. Lange Zeit bereitete sich der Zauberer Erwin, das war übrigens sein Name, auf dieses Fest vor und las jeden Zauberspruch, den er in der Bibliothek des Königs finden konnte und der etwas mit Feuerwerken, Pyrotechnik oder Schwarzpulver aus China zu tun hatte.

2 v. 9