Märchenstunde 1 v. 2

„Schau nur!“, rief sie und zeigte mit ihren kleinen Fingern auf das große bunte Etwas über ihren Köpfen. Der Wind hatte ihre blonden Haare zerzaust und der rote Regenmantel war gesprenkelt von kleinen Dreckspritzern, die sie in ihrer Erscheinung einem großen Marienkäfer gleichen ließ. Es war kalt hier, mitten auf dem Feld. Die Natur, die sie sonst zu sehen bekam, bestand aus einem kleinen Park mit Spielplatz, der zwei Straßen neben ihrer Wohnung angelegt worden war. Rollschuh fahren war dort verboten. Hunde waren dort verboten. Lärmen war dort verboten. Doch jetzt stand sie mitten auf diesem gigantischen schneebedeckten Feld und blickte mit ihren großen, braunen Augen in den wolkenverhangenen Himmel.

„Schau nur!“, rief sie noch lauter und zog ihren Vater am Ärmel. Über ihren Köpfen schwebte es fast lautlos, nur ab und zu fauchend, vorüber.

„Ich seh ihn ja, Paula. Ich seh ihn.“ Ihr Vater stand direkt neben ihr.

Der Heißluftballon schmolz sich seinen Weg durch dicke, eisige Luft um kurze Zeit später mit einem Fauchen wieder von den Wolken verschlungen zu werden. Gebannt starrte Paula noch minutenlang auf die Stelle, wo sie ihn zuletzt gesehen hatte. Der Wind blies heftiger und an ihrer kleinen Nase formte sich ein Tröpfchen, das sie ohne Mühe abschüttelte und die Ringe zählte, die es beim Aufprall in einer Pfütze hinterließen. Langsam trottete sie hinter ihrem Vater her, fasziniert von dem matschigen Schuhabdrücken anderer, die vorher diesen Feldweg für sich beanspruchten. Hier und da erkannte man Spuren von einem Hund und Paula dachte darüber nach, wie es wohl sein müsse, nur mit einem Fell bekleidet durch den Wald zu laufen. Sie fröstelte bei dem Gedanken. Schließlich hatte sie heute außer ihrer roten Regenjacke noch zwei Unterhemden und einen dicken Pulli an, den ihr ihre Mama zum Geburtstag strickte.

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