Gilbert

Gilbert rann der Schweiß von der Stirn. In der Dämmerung sah er nur etwas Großes auf sich zukommen.

Er hatte keine Lust mehr.

Keine Lust mehr zu kämpfen. Keine Lust mehr, weiterhin den Fußabstreifer zu spielen. Keine Lust mehr, sich rechtfertigen zu müssen vor Personen, die er nicht mal kannte.

Guten Tag, sagte die monströse Gestalt vor ihm stehend. Gilbert ballte die Fäuste.

Können Sie mir sagen, wo ich Regenschirme finde?

3. Stock! knirschte Gilbert durch die Zähne.

Er hasste seinen Job.

Simon

Mit einem Mal war die Versorgungskette unterbrochen. Niemand hatte es kommen sehen.

Keinen General, keinen Lieutenant, keinen Wissenschaftler gab es, der das Volk auf eine solche Situation vorbereitet hätte. Dutzende, die für das Verteilen der Nahrung verantwortlich waren, irrten chaotisch umher. Manche sahen die Gefahr eher als andere.

Die Hitze des Laserstrahls war auch noch in einiger Entfernung zu spüren, als sie wie ein Messer durch die Ansammlung schnitt und nur verdorrte Kadaver zurücklies.

Grinsend betrachtete Simon die Szenerie, als er seinen Namen hörte.

„Ja, Mama, ich komm gleich!“

Simon legte das Vergrößerungsglas beiseite und ging ins Haus.

der Clown

Ein freundliches Lachen zeichnet sein Gesicht aus.

Der dicke, rote Mund strahlt fröhlich vor sich hin.

Die helle Schminke auf seiner Haut lässt Schweißtropfen der Anstrengung einfach abperlen.

Ein Clown wie er im Buche steht.

 

Dem Publikum stockt der Atem, als er seinen Trick aufführt.

 

Mit seinen Tricks verdient er einiges.

Natürlich freut er sich am meisten.

Er verlässt die Bank mit einer Menge Geld.

der Spieler

Ein Mann sitzt in der Fußgängerzone, vor sich einen Hut. Hoffend, dass die Menschen ihn bemerken. Er tut etwas dafür. Er spielt sein Instrument.

Dieser Mann beherrscht sein Instrument gut. Sehr gut sogar. Als er es ansetzt, wandert kurze Zeit später ein Lächeln über sein Gesicht.

Es scheint das Einzige zu sein, was ihm Halt gibt. Er scheint sonst nicht viel zu besitzen.

Die Leute werden aufmerksam auf ihn. Schauen ihn an. „Guck mal der da!“, heißt es von einigen. „Mama, was macht der Mann?“, fragt so manches Kind.

Er spielt sein Instrument. Seine eigene Melodie. Die nur er hören kann. Lächelnd verdreht er die Augen. Sein Instrument fällt auf den Boden. Die Nadel bricht ab.

Jennifer

„Abendessen ist fertig!“

Katelyn hatte ordentlich aufgetischt.

Marc gefiel das. Und es war das erste Mal seit langer Zeit, dass ihm wieder etwas gefiel, das Katelyn machte. In den letzten Jahren war ihre Ehe ziemlich eingeschlafen.

Jetzt hatte er sogar ein schlechtes Gewissen, dass er sie mit Jennifer betrog.

 

Der Braten war köstlich.

Weich. Zart. Saftig. Die Soße dazu ein Traum. Selbstgemachte Kroketten. Salat. Nachtisch.

 

Eigentlich wollte er sich heute mit Jennifer zum Abendessen treffen. Aber das konnte er auch noch absagen.

Er ging in die Küche und schrieb eine SMS an Jennifer.

Der Klingelton kurz darauf kam aus der Mülltonne.

 

Der Braten war köstlich.

Reese

Er vermied es mittlerweile mit seinen Haustieren die Strecke an den Feldern entlangzulaufen, da die Angst immer noch zu tief in ihm saß. Vor knapp zwei Jahren war er das letzte Mal hier. Bingo hatte es damals sichtlich genossen, durch die hohen Maisfelder zu springen und alles zu beschnüffeln.

Jetzt hatte er immer Angst um seine Tiere, wenn er mit ihnen draußen war.

Sie hatten den Täter nie erwischt, der Bingo das angetan hatte. Stundenlang quälte er sich. Blutiger Stuhl, Blutiger Auswurf. Eine ganze Nacht lang quälendes Jaulen.

Heute fuhr er zum selben Feld, an dem Bingo damals den vergifteten Fleischklumpen gefressen hatte.

Reese schnüffelte aufgeregt.

Reese war Bingos Nachfolger. Er saß auf der Ladefläche seines Trucks. Er war um einiges größer als Bingo.

Er hielt an und öffnete die Ladepritsche. Reese sprang direkt runter und sauste in das Maisfeld. Kurz darauf ertönten die ersten qualvollen Schreie.

 

Sie hatten den Täter nie erwischt.

Er hatte ihn erwischt.

Reese würde wahrscheinlich mächtig Spaß mit ihm haben.

Wildschweine fressen alles.

Das letzte Gefecht

General Sherman lag auf der Lauer. Aus dem Graben heraus drang ein unerträglicher Gestank. Körper um Körper stapelte sich und verpestete die Luft. Der letzte Krieg, hieß es. Danach in die Heimat hieß es. Die Vergonier waren stark. Seit Monaten schlugen die Pretoxidbomben in die Wohnhäuser der umliegenden Dörfer ein. Doch dieses hier sollte das letzte Gefecht werden.

Zu viele hatten sich dem Feind schon ergeben. Zu viele waren übergelaufen, um ihr eigenes, beschissenes Leben zu retten.

General Sherman stieg über die zerschundenen Körper aus dem Graben und rannte in Richtung der sich entfernenden Armee. Niemand hatte ihn in der Dunkelheit bemerkt. Der Sprengstoffgürtel war fest verdrahtet, so dass ihm die Erschütterungen eines Sprints nichts anhaben konnten. Sherman reihte sich in die Linien der feindlichen Kämpfer ein. Solange er sich in derselben Geschwindigkeit bewegen würde wie sie, würden ihre Sinnesorgane ihn nicht bemerken.

Scharf machen, entfernen, per Funk auslösen. Kein Problem, hieß es beim Briefing. Sherman macht das schon. Und die Explosion würde so ziemlich alles in Trümmern reißen, was von der Armee übrig war.

Sherman drückte den Knopf. Er blickte zum Bunker, in dem seine Kameraden den Sieg erwarteten. In dem sie ihn bei seiner Rückkehr wie einen Helden feiern würden. Und wie sie nun in einer gewaltigen Explosion in die Luft flogen und in den Tod gerissen wurden.

Zu viele waren übergelaufen, um ihr eigenes, beschissenes Leben zu retten.

Seines hatte er gerade gerettet.

Er reihte sich wieder in die Linien der feindlichen Armee ein.